Nachehelicher Unterhalt – Gibt es den überhaupt noch?

Entgegen der Meinung vieler Betroffenen hatte die Unterhaltsreform im Jahr 2008 nicht zur Folge, dass der nacheheliche Unterhalt abgeschafft wurde. Mit der Unterhaltsreform zum 1.1.2008 hat der Gesetzgeber aber den Grundsatz der Eigenverantwortung wieder verstärkt. Dieses ist dadurch zum Ausdruck gekommen, dass seit der Unterhaltsreform höhere gesetzliche Anforderungen an die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten gestellt werden. Zudem sind die Möglichkeiten, den nachehelichen Ehegattenunterhalt der Höhe nach zu begrenzen oder zeitlich zu befristen (§ 1578b BGB) deutlich erhöht worden.

 

Während der nacheheliche Ehegattenunterhalt vor der Unterhaltsreform eher die Funktion einer "Garantie des ehelichen Lebensstandards" hatte, dient er nach der Unterhaltsreform eher dem Ausgleich der ehebedingten Nachteile.


Wonach richtet sich die Höhe des zu zahlenden Geschiedenenunterhalts?

Der Unterhaltsbedarf richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB). Hier gilt das Stichtagsprinzip: Abzustellen ist auf die ehelichen Lebensverhältnisse, die bei Rechtskraft der Ehescheidung maßgebend waren.

 

Der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen wird also bestimmt anhand

  • der Umstände, die bis zur Rechtskraft der Scheidung eintreten und die Einkommenssituation oder Unterhaltspflichten beeinflussen;
  • der Umstände, die zwar erst nach Rechtskraft der Ehe eingetreten sind, aber bereits in der Ehe angelegt waren. Hierzu gehören insbesondere der Wegfall von Unterhaltsansprüchen von Kindern oder die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit durch den während der Ehe nicht oder nur eingeschränkt berufstätigen Ehegatten. Hierzu gehört bspw. auch ein nicht vorwerfbarer Einkommensrückgang auf Seiten des Verpflichteten, insbesondere bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit.

 

Andere Umstände, die nicht mit der Ehe in Verbindung stehen, wie nach Rechtskraft der Scheidung hinzutretende Unterhaltspflichten oder steuerliche Vorteile aus einer neuen Ehe, prägen hingegen die ehelichen Lebensverhältnisse nicht mehr.

 

Die Höhe des Bedarfs entspricht dann grundsätzlich der Hälfte des die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden Einkommens. Ausnahmen gelten bei besonders niedrigen Einkommensverhältnissen, in denen ein Mindestbedarf geschuldet wird oder bei besonders guten Einkommensverhältnissen, bei denen eine konkrete Bedarfsberechnung in Betracht kommt.


Aus welchen Gründen muss nachehelicher Unterhalt gezahlt werden?

Ein nachehelicher Unterhaltsanspruch kann sich aus unterschiedlichen Unterhaltstatbeständen ergeben, die im Gesetz in den §§ 1570 ff. BGB niedergelegt sind. Es handelt sich dabei um

  •  den Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB,
  • den Altersunterhalt gemäß § 1571 BGB
  • den Unterhalt wegen Krankheit gemäß § 1572 BGB,
  • den Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit in § 1573 Abs. 1 und 3 BGB,
  • den Aufstockungsunterhalt in § 1573 Abs. 2 BGB,
  • den Ausbildungsunterhalt in § 1575 Abs. 1 BGB und
  • den Billigkeitsunterhalt in § 1576 BGB.

Was gilt beim Betreuungsunterhalt?

Nach § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen (so genannter Basisunterhalt). Gemäß den § 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB verlängert sich die Dauer des Unterhaltsanspruchs, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht; dabei sind die Belange des Kindes und die Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen (Unterhalt aus kindbezogenen Gründen). In § 1570 Abs. 2 BGB ist dann geregelt, dass die Dauer des Unterhaltsanspruchs sich darüber hinaus verlängert, wenn dies unter Berücksichtigung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht (Unterhalt aus elternbezogenen Gründen).

 

Während der ersten drei Lebensjahre des Kindes kann der betreuende Elternteil sich also vollumfänglich auf die Betreuung des Kindes konzentrieren. Eine Erwerbsobliegenheit besteht in diesem Zeitraum nicht. Dies gilt auch in engen wirtschaftlichen Verhältnissen.

 

Übt der betreuende Elternteil in diesem Zeitraum trotzdem eine Erwerbstätigkeit aus, ist diese als überobligatorisch anzusehen und die daraus erzielten Einkünfte sind entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nur teilweise bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen.


Wann kommt eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen in Betracht?

Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen nach ist der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder in kindgerechten Betreuungseinrichtungen gesichert werden könnte. Die unterhaltsrechtliche Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer kindgerechten Betreuungsmöglichkeit findet erst dort ihre Grenzen, wo die Betreuung nicht mehr mit dem Kindeswohl vereinbar ist, was jedenfalls bei öffentlichen Betreuungseinrichtungen wie Kindergärten, Kindertagesstätten oder Kinderhorten regelmäßig nicht der Fall ist. Die Möglichkeit der Fremdbetreuung muss tatsächlich existieren, sie muss zumutbar und für den betreuenden Elternteil verlässlich sein sowie mit dem Kindeswohl in Einklang stehen.

 

In dem Umfang, in dem das Kind nach Vollendung des dritten Lebensjahres fremdbetreut wird oder werden könnte, kann sich der betreuende Elternteil also nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes berufen. Auf die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes kommt es erst dann nicht mehr an, wenn das Kind ein Alter erreicht hat, in dem es zeitweise sich selbst überlassen werden kann und deswegen auch keiner durchgehenden persönlichen Betreuung durch einen Elternteil bedarf.

 

Neben der grundsätzlichen Betreuungsbedürftigkeit minderjähriger Kinder können allerdings auch andere kindbezogene Gründe, wie beispielsweise schwere Krankheiten, die im Rahmen einer Betreuung in kindgerechten Einrichtungen nicht aufgefangen werden können, für eine eingeschränkte Erwerbspflicht und damit für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts sprechen. Auch insoweit sind die individuellen Umstände des jeweiligen Falles zu beachten.

 

Aus kindbezogenen Gründen ist dem betreuenden Elternteil deswegen eine Erwerbstätigkeit nicht zumutbar, soweit die Betreuung des Kindes unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht hinreichend gesichert ist und auch nicht in kindgerechten Einrichtungen sichergestellt werden könnte und wenn das Kind im Hinblick auf sein Alter auch noch nicht sich selbst überlassen bleiben kann.


Und wann kommt eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus elternbezogenen Gründen in Betracht?

Soweit die Betreuung des Kindes auf andere Weise sichergestellt oder in einer kindgerechten Einrichtung möglich ist, können einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils auch elternbezogene Gründe entgegenstehen. Diese Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts beruhen auf einer nachehelichen Solidarität. Maßgeblich ist dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte oder praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung. Die Umstände gewinnen durch das Vertrauen des unterhaltsberechtigten Ehegatten bei längerer Ehedauer oder bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit zur Erziehung des gemeinsamen Kindes weiter an Bedeutung. Insoweit hat der BGH ausgeführt, dass die ausgeübte oder verlangte Erwerbstätigkeit neben dem nach der Erziehung und Betreuung in Tageseinrichtungen verbleibenden Anteil an der Betreuung nicht zu einer überobligationsmäßigen Belastung des betreuenden Elternteils führen darf, die ihrerseits wiederum negative Auswirkungen auf das Kindeswohl entfalten könnte. Denn selbst wenn ein Kind ganztags in einer kindgerechten Einrichtung betreut und erzogen wird, was dem betreuenden Elternteil grundsätzlich die Möglichkeit zu einer Vollzeittätigkeit einräumen würde, kann sich bei Rückkehr in die Familienwohnung ein weiterer Betreuungsbedarf ergeben, dessen Umfang im Einzelfall unterschiedlich sein kann. Dann ist eine Prüfung geboten, ob und in welchem Umfang die Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten Elternteils trotz der Vollzeitbetreuung des Kindes noch eingeschränkt ist.


Wann muss Unterhalt nach der Scheidung wegen Alters gezahlt werden?

Ein nachehelicher Unterhaltsanspruch wegen Alters (§ 1571 BGB) setzt voraus, dass der berechtigte Ehegatte aufgrund seines Alters nicht in der Lage ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Die Berechtigung ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu prüfen, eine feste Altersgrenze existiert nicht. Allerdings ist in der Literatur und Rechtsprechung unumstritten, dass jedenfalls ab der in der gesetzlichen Rentenversicherung geltenden Regelaltersgrenze eine Erwerbstätigkeit von dem berechtigten Ehegatten nicht mehr erwartet werden kann.

 

Die zu diesem Unterhaltsanspruch veröffentlichten Entscheidungen zeigen, dass hier immer eine individuelle Prüfung erforderlich ist, ob die Erwerbsunfähigkeit tatsächlich altersbedingt ist. Bei Unterhaltsberechtigten ab Mitte 50, die zur Erlangung einer angemessenen beruflichen Tätigkeit erst noch eine Aus- oder Weiterbildung absolvieren müssten, kann – insbesondere, wenn es sich um eine langjährige Ehe in guten wirtschaftlichen Verhältnissen handelt – bereits ein Anspruch auf Altersunterhalt gegeben sein.

 

Hat der Unterhaltsberechtigte das 60. Lebensjahr vollendet und kann er aufgrund seiner Vorbildung nur im gewerblichen Bereich tätig sein, ist im Hinblick darauf, dass in diesem Bereich in diesem Alter eine Vollzeitbeschäftigung kaum noch zu finden sein dürfte, regelmäßig auch ein Anspruch auf Altersunterhalt gegeben; hier kann jedoch möglicherweise eine Obliegenheit zur Ausübung einer stundenweisen Tätigkeit im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung bestehen.


Wann muss Unterhalt nach der Scheidung wegen Krankheit gezahlt werden?

Gemäß § 1572 BGB kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen, soweit und solange von ihm wegen Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden kann.  

 

Auch Alkoholsucht, Drogensucht und Medikamentenabhängigkeit sind grundsätzlich als Krankheit anzusehen. Darüber hinaus kann es sich beispielsweise bei erheblichem Übergewicht, Magersucht oder Depressionen um eine Erkrankung im Sinne der Vorschrift handeln. Bei Beschwerden auf psychischem Gebiet, die oftmals mit einer Ehescheidung einhergehen und in der Regel durch adäquate Behandlung überwunden werden können, ist fraglich, ob ein Anspruch nach § 1572 BGB begründet werden kann.


Wann ist Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit geschuldet?

Ein Ehegatte kann auch Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit finden kann (§ 1573 Abs. 1 und 3 BGB). Der Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit soll allerdings nicht das allgemeine Arbeitsplatzrisiko des Unterhaltsberechtigten absichern. Er setzt voraus, dass der geschiedene Ehegatte keine angemessene Erwerbstätigkeit finden kann. Der unterhaltsbegehrende Ehegatte muss sich unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel nachhaltig bemüht haben, eine angemessene Tätigkeit zu finden. Daran werden von der Rechtsprechung hohe Anforderungen gestellt.


Und was bedeutet Aufstockungsunterhalt?

Gemäß § 1573 Abs. 2 BGB kann der geschiedene Ehegatte, der keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 BGB hat, die Aufstockung seiner Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit verlangen, wenn diese nicht ausreichen, um den vollen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu gewährleisten. Der Aufstockungsunterhalt ist dadurch gekennzeichnet, dass sowohl der Unterhaltsberechtigte als auch der Unterhaltspflichtige eigene Einkünfte erzielen. Auch nach der Unterhaltsreform setzt der Aufstockungsunterhalt nicht voraus, dass der berechtigte Ehegatte ehebedingt berufliche Nachteile erlitten hätte. Selbst wenn beide Ehegatten während der Ehe ununterbrochen berufstätig gewesen sind, kann der weniger verdienende Ehegatte Aufstockungsunterhalt beanspruchen.

 

Ist die Differenz der unterhaltsrechtlich relevanten Einkünfte der Ehegatten nur gering, kann ein solcher Anspruch ganz ausscheiden.


Wann ist ein Ausbildungsunterhalt geschuldet?

Gemäß § 1575 BGB kann ein geschiedener Ehegatte, der in Erwartung der Ehe oder während der Ehe eine Schul- oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen hat, von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen, wenn er entweder diese oder eine entsprechende Ausbildung sobald wie möglich aufnimmt, um eine angemessene Erwerbstätigkeit, die seinen Unterhaltsbedarf nachhaltig sichern kann, zu bekommen und außerdem der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist. Gleiches gilt, wenn der berechtigte Ehegatte eine Fortbildung oder Umschulung beginnen will.

 

Dieser Tatbestand dient dem Ausgleich der ehebedingten Nachteile. Voraussetzung ist, dass die Ehe als solche kausal dafür war, dass der berechtigte Ehegatte eine Schul- oder Berufsausbildung gar nicht erst aufgenommen bzw. abgebrochen hat. Hat der berechtigte Ehegatte aus anderen Gründen die Schul- oder Berufsausbildung gar nicht erst aufgenommen bzw. abgebrochen, resultiert daraus nach der Scheidung kein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt. Wird die Ausbildung während der Ehe aufgegeben, wird die Kausalität vermutet. Erfolgt der Abbruch oder die Nichtaufnahme vor der Eheschließung, bedarf es des Nachweises, dass der Grund hierfür die beabsichtigte Eheschließung war.


Wann ist ein Billigkeitsunterhalt geschuldet?

Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Billigkeitsunterhalt verlangen, soweit und solange von ihm aus sonstigen schwerwiegenden Gründen eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und die Versagung von Unterhalt unter Berücksichtigung der Belange beider Ehegatten grob unbillig wäre. Der Billigkeitsunterhalt gemäß § 1576 BGB ist nachrangig und als Ausnahmeregelung eng auszulegen. Seine Ausgestaltung soll diejenigen Fallkonstellationen auffangen, die durch das Anspruchsraster der nachehelichen Unterhaltstatbestände durchgefallen sind; er dient der Vermeidung von Härten.

 

Ist beispielsweise eine Erwerbstätigkeit in Folge der Betreuung von nicht-gemeinschaftlichen Kindern nicht möglich, kann dies dann zu einem Unterhaltsanspruch führen, wenn auf Grund gemeinsamer Entscheidung ein Kind zur Pflege aufgenommen wurde. Zu diesem gleich schwerwiegenden Grund muss aber als weitere Tatbestandvoraussetzung die grobe Unbilligkeit hinzukommen. Sie kann sich daraus ergeben, dass das Kind einvernehmlich in jungen Jahren aufgenommen und bereits über einen längeren Zeitraum von den Ehegatten betreut wurde. Einzubeziehen ist auch die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers für den Vorrang des Kindeswohls und gegen das Interesse des nicht betreuenden Elternteils, keinen Unterhalt zahlen zu müssen, wenn dem anderen ein Fehlverhalten vorzuhalten ist.