Unterhalt: Betreuungsunterhalt bei Betreuung eines 16jährigen autistischen Kindes

Das OLG Hamm hat mit Beschluss vom 02.06.2016 (AZ 6 WF 19/16) entschieden, dass eine Kindesmutter bei Betreuung eines autistischen Kindes im fortgeschrittenen Alter (hier 16 Jahre) nicht zur Vollzeittätigkeit verpflichtet ist, wenn ein deutlich erhöhter Förderungsbedarf des Kindes besteht; die Kindesmutter kann in diesem Fall Betreuungsunterhalt beanspruchen.

Nach § 1570 BGB kann ein geschiedener Ehegatte vom anderen Ehegatten wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht, wobei die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen sind.

 

Obwohl das autistische Kind bereits 16 Jahre alt war und eine Betreuungsmöglichkeit in der Schule im Umfang von knapp 36 Stunden in der Woche bestand, war das OLG Hamm der Auffassung, dass eine Vollzeittätigkeit von der Kindesmutter nicht gefordert werden kann . Wegen des Autismus´ des Kindes – so das Gericht – bestünde ein erhöhter Förderbedarf, aus welchem auch ein gesteigerter Betreuungsbedarf resultiere. Bereits die Zeiten, die das Kind im Autismuszentrum und darüber hinaus aus therapeutischen Gründen beim Tennis verbringe, summierten sich einschließlich der Wegstrecken auf fünfeinhalb Stunden in der Woche. Auch wenn derzeit die Termine im Autismuszentrum nur 14-täglich stattfänden, sei es für die Kindesmutter nicht ohne weiteres möglich, in den "freien" Wochen in diesen Zeiten einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Es lag für das Gericht auch auf der Hand, dass es allein mit diesen therapeutischen Unterstützungen nicht sein Bewenden habe. Da das Kind krankheitsbedingt über keine Sozialkontakte verfüge, müsse die Kindesmutter ihm weitaus mehr Zeit widmen, als dies bei einem gesunden 16-jährigen Sohn erforderlich wäre.

 

 

Praxishinweis: Diese Rechtsprechung kann auch auf Fälle übertragen werden, in denen nicht ein Autismus, sondern eine andere Erkrankung des Kindes vorliegt, die einen erhöhten Förderungs- und Betreuungsbedarf nach sich zieht. In diesen Fällen kann es bei hinreichender Darlegung der Betreuungsbedürftigkeit von dem betreuenden Elternteil aus unterhaltsrechtlicher Sicht nicht verlangt werden, einer Vollzeittätigkeit nachzugehen.