Sorgerecht: Aufenthaltsbestimmungsrecht bei Umzug

Das OLG Brandenburg hat sich in einer Entscheidung vom 06.05.2016 (Aktenzeichen 10 UF 7/16) mit den Kriterien für die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil für den Fall befasst, dass ein Elternteil das Wechselmodell aufkündigt und mit dem Kind in eine entfernte Stadt umziehen möchte.

Nach Ansicht des OLG Brandenburg war das Aufenthaltsbestimmungsrecht einem Elternteil allein zu übertragen, weil die Eltern es jeweils für sich beanspruchten (das Amtsgericht hatte in erster Instanz beide wechselseitigen Anträge der Eltern zurückgewiesen und damit faktisch die Weiterführung des bis dahin praktizierten Wechselmodells angeordnet). Diese Anträge – so das OLG Brandenburg - deuteten auf eine fehlende Kooperationsbereitschaft beider Eltern hin. Da das Amtsgericht entsprechend der Einschätzung des Verfahrensbeistandes der Auffassung war, das Wechselmodell entspräche dem Kindeswohl am besten, obwohl sich ein Elternteil dagegen ausspreche, hätte das Amtsgericht nach Auffassung des OLG das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Vater antragsgemäß übertragen müssen, da dieser das Wechselmodell fortsetzen wollte (die Mutter wollte mit dem Kind wegziehen). Das OLG übertrug das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Vater, weil dies dem Wohl des Kindes am besten entspreche. Bei der Entscheidung seien die relevanten Kindeswohlkriterien des Förderungsgrundsatzes, des Kontinuitätsgrundsatzes, des Willens des Kindes und der Bindung des Kindes an beide Eltern untereinander abzuwägen. Unter dem Gesichtspunkt des Förderungsgrundsatzes sah das OLG keinen Vorteil eines Elternteils, da beide auch in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich in der Lage seien, das Kind zu betreuen und zu versorgen. Der Vater könne sich seine Arbeitszeit flexibel einteilen und bei punktuell stattfindenden außergewöhnlichen Arbeitseinsätzen eine ausreichende Betreuung des Kindes durch die Großeltern sicherstellen. Der Umstand, dass die Mutter auf Grund ihrer Schwangerschaft gegenwärtig mehr Zeit zur Betreuung des Kindes zur Verfügung habe, beeinflusse deshalb die Entscheidung hinsichtlich des Förderungsgrundsatzes nicht. Denn ein allgemeiner Vorrang des weniger oder überhaupt nicht berufstätigen Elternteils gegenüber dem anderen bestehe nicht. Da auch zum Zeitpunkt der Entscheidung weder ein Wille des Kindes erkennbar war und auch unter dem Gesichtspunkt der Bindungen kein Vorrang eines Elternteils gegeben war, stellte das OLG entscheidend auf den Kontinuitätsgrundsatz ab. In diesem Punkt sah das OLG den Vater im Vorteil, da dieser dem Kind die vertraute Umgebung beibehalten wollte und die Großeltern väterlicherseits, zu denen das Kind ein enges Verhältnis habe, weiterhin häufig sehen könne, da sie in der Nähe wohnten. Übte die Mutter demgegenüber das Aufenthaltsbestimmungsrecht aus, müsste es sich nach einem Umzug an die neue Umgebung gewöhnen und würde die Großeltern väterlicherseits als wichtige Bezugspersonen weitgehend verlieren. Ebenso würden ihm der Freundeskreis in der Kita und potenzielle Mitschüler im Falle der Einschulung fehlen.